„Aus dir wird nie eine Führungskraft werden. Du bist viel zu nett. Da muss noch viel passieren.“ - Das war die Meinung des Leiters während eines Seminars für angehende Führungskräfte.
Und er hatte recht: Es ist viel passiert.
Womit er jedoch nicht recht behalten sollte, war, dass ich sogar eine sehr gute Führungskraft geworden bin, und mein „zu nett“ heute zu meinen größten Stärken zählt. Dennoch mussten noch einige
Jahre vergehen, ehe ich letztendlich dem Psychologen gegenüber saß, der über meine weitere Fliegerkarriere entschied. Offensichtlich hat es geklappt (sonst würdest du diesen Beitrag hier nicht
lesen), und ich fliege heute als Purserette durch die Luft.
Wie genau der Einstellungsprozess verlief, welche Erkenntnisse ich auf dem Weg gewonnen habe und wie es mir in den ersten sechs Monaten in der neuen Position erging, verrate ich dir in diesem
Beitrag.
1. Was ist ein Purser?
2. Die Entscheidung Purser zu werden
3. Vorbereitung auf die Eignungsuntersuchung (EU)
4. Die Eignungsuntersuchung (EU)
5. Der Purser Lehrgang
6. Einweisungsflüge
7. Ernennungsfeier
8. Die erste Tour als Purser
9. Routine in der neuen Funktion
10. Mein Fazit
1. Was ist ein Purser?
Ein Purser ist die Person, die von der Fluggesellschaft ausgewählt und ausgebildet wurde, um mit einer Crew, einem Flugzeug und 200 Passagieren an Bord sicher um die Welt zu fliegen. Ein Purser muss gute Entscheidungen treffen können, ein Team führen, Gästebeschwerden annehmen und lösen können – und noch vieles mehr.
Was macht ein Purser in seiner täglichen Arbeit? - das Offensichtliche:
Sicher hast du die Stellenbeschreibung vorliegen und im Daily Business an Bord dem Purser schon ein wenig über die Schulter geschaut. Viele Aufgaben sind ganz offensichtlich: Briefings halten, Emergency Kenntnisse abfragen und für eine reibungslose Flugdurchführung sorgen. Was ich jedoch faszinierend finde, ist, dass vieles im Verborgenen abläuft. Genau diese tiefer liegende Facette macht die Position für mich so interessant.
Das Briefing:
Als Purser muss man sich noch etwas intensiver auf den Flug vorbereiten. Auf welchem Flugzeugmuster sind wir unterwegs? Welche sicherheitsrelevanten Besonderheiten gibt es dort? Oder haben wir Gäste mit besonderen Bedürfnissen, wie alleinreisende Kinder oder blinde Personen?
Ich beginne dann gerne mit ein paar Fakten zum bevorstehenden Flug und teile Dinge, die mir wichtig sind. Schon jetzt hat man die Möglichkeit, durch Auftreten und Wortwahl für eine gute Stimmung im Team zu sorgen. Ich betone auch, dass wir, unabhängig von äußeren Faktoren, selbst die Stimmung an Bord bestimmen können. Jeder darf sich einbringen und trägt die Verantwortung, die Atmosphäre im Team positiv mitzugestalten.
Obwohl ich nun der Purser bin und andere Aufgaben übernehme, bleibe ich weiterhin eine Kollegin. Ich schaffe bewusst eine offene Atmosphäre, in der jeder zu mir kommen kann, egal ob bei einem Fehler oder einer Wissenslücke. Zudem appelliere ich an eigenständiges Arbeiten und schenke meiner Crew das Vertrauen, dass jeder seinen Job gut macht und kompetent genug ist, Entscheidungen selbst zu treffen.
Die sichere Flugdurchführung:
Natürlich ist jedes Crewmitglied wichtig und muss fit sowie gut vorbereitet seinen Dienst antreten. Der Unterschied als Purser liegt vor allem in der organisatorischen Tätigkeit rund um den Flug. Ich entscheide, wann die Passagiere einsteigen können und wann die Türen geschlossen werden. Außerdem trage ich die Verantwortung dafür, das Flugzeug vor dem Start und der Landung »klar« melde. Das bedeutet, dass ich die Cockpitkollegen darüber informiere, dass alle Passagiere gemäß den Sicherheitsvorschriften angeschnallt sind und wir bereit sind zum Starten/Landen. Ich sorge dafür, dass meine Kollegen ihre Aufgaben gut erfüllen und dass Notfallverfahren korrekt abgearbeitet werden.
Die Ansagen:
En wesentlicher Teil meiner Arbeit an Bord besteht aus den Ansagen. Vor dem Start, im Flug und nach der Landung liegt es an mir, im richtigen Zeitpunkt die passenden Ansagen für die Gäste zu machen.
Die weniger offensichtlichen Purseraufagen:
Das Team führen
Wie führt man ein Team? - Es gibt nicht dein einzig richtigen Weg. Wichtig ist jedoch, bevor zu zur Eignungsuntersuchung gehst, dass du davon eine Idee hast, wie du das machen möchtest.
Arbeitsrahmen abstecken
Ich betrachte es als meine Verantwortung als Führungskraft, eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Für mich bedeutet das, dass wir alle in einem geschützten Umfeld frei und effektiv arbeiten können. Dieser Rahmen wird nicht von mir allein festgelegt, sondern ergibt sich aus unserem Training, unseren Verfahren und der Unternehmensphilosophie. Sollte jemand wiederholt außerhalb dieses Rahmens agieren, liegt es an mir, diese Person wieder zurückzuführen. Wie erreiche ich das? Durch offene Gespräche und klare Grenzen. Obwohl ich von Natur aus eher zu den freundlicheren Menschen gehöre, gelingt es mir durch Empathie und Ruhe, die betreffende Person wieder ins Team zu integrieren, ohne sie zu verlieren. Die Zeiten, in denen starre Autorität gefragt war, sind (glücklicherweise) lange vorbei! Vielleicht gehst du jedoch komplett anders vor und erreichst dennoch das gleiche Ziel.
Kommunikation mit dem Management:
Als Führungskraft ist man dem Management näher und stellt sicher, dass außergewöhnliche Vorkommnisse und wichtige Informationen weitergeleitet werden. Man wechselt mental die Seiten und denkt nun deutlich mehr an die Wirtschaftlichkeit und handelt mit einem größeren Bewusstsein im Sinne des Unternehmens.
Dein Bestes ist genug!
Als ich in meinem Purser-Lehrgang saß und mir anhörte, was ich in Zukunft alles sein sollte, wurde mir mulmig zumute. Konnte ich dem gerecht werden? Aus heutiger Erfahrung kann ich dir
versichern, dass in der Realität dieser Anspruch, „perfekt zu sein“, nicht erhoben wird. Viel wichtiger war es, reflektiert zu sein, Entscheidungen zu treffen und mich als Person
weiterzuentwickeln. In der ersten Zeit ist es auch von Teamleitenden ausdrücklich gewünscht, sich die Zeit zu nehmen, in die Rolle hineinzuwachsen.
2. Die Entscheidung Purser zu werden
In mir schlummerte schon lang der Wunsch, Purser zu werden. Abgeschmettert vom Urteil eines Coachs und dem totalen Versagen bei einer Übung zum kritischen Mitarbeitergespräch während des Seminars, verwarf ich den Gedanken. Zu dieser Zeit war meine Tochter noch sehr klein, und mein Leben als alleinerziehende Mutter ließ keine berufliche Weiterentwicklung zu.
So begrub ich den Wunsch und war für viele Jahre mehr oder weniger zufrieden damit.
Dann flog ich mit einer Bekannten von mir und sie hat mich komplett umgehauen! Sie hat das so gut gemacht – sodass ich mir dachte: Ich will auch so eine gute Purserette sein!
Ich habe gespürt: Ich bin aus der Rolle der Flugbegleiterin herausgewachsen.
Durch meine Arbeit hier auf irgendwo-mit-kind.de und der Präsenz in Social-Media bin ich sehr nah am Gast. Ich verstehe, was Gäste sich wünschen und brauchen. So war die einzig logische Konsequenz, dass ich eine neue Position in der Crew einnehme, in der ich meine Stärken, mein ganzes Wissen und meine Liebe zum Fliegen besser nutzen kann. So doof es klingt, Herausforderungen machen mir Spaß. Eintönigkeit hingegen langweilt mich.
Ist die Entscheidung einmal getroffen: Ich werde Purser! Dann heißt es die Stellenausschreibung genau lesen.
Um sich bewerben zu können, bedarf es unter Umständen gewisse Voraussetzungen und Qualifikationen. In meinem Fall benötigte ich positive Rückmeldungen von anderen Purserkollegen, die mit meiner Arbeit an Bord zufrieden waren und Potenzial für die Purserposition in mir sahen. Außerdem musste ich verschiedene Qualifikationsschulungen absolvieren und einen Englischtest auf dem Niveau B2 mit mindestens 70% bestehen. Dafür habe ich meine Grammatik besonders intensiv wiederholt und viele Hörbücher in britischem Englisch gehört. Darüber hinaus ist oft eine firmeninterne Weiterbildung, ein abgeschlossenes Studium oder eine abgeschlossene IHK-Ausbildung erforderlich.
Englischtest Tipp:
Es können auch weitere oder andere Voraussetzungen nötig sein. Das hängt, wie bereits erwähnt, von der Stellenausschreibung und natürlich von der jeweiligen Airline ab.
3. Vorbereitung auf die Eignungsuntersuchung (EU)
Stärken & Schwächen
Sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen, ist im Zuge der Verbreitung unerlässlich.
Aber was sind überhaupt Stärken? Im Female Leadership Academy Podcast↗ von Vera Strauch habe ich gelernt, dass wir Stärken häufig falsch interpretieren und Dinge nennen, die wir zwar gut können, uns dafür aber sehr anstrengen müssen.
Stärken sind vielmehr die Dinge, die uns wirklich leicht fallen!
Da wir das als selbstverständlich betrachten, bemerken wir oft nicht, dass wir das mühelos beherrschen und viel besser können als andere. Wenn du also nicht genau weißt, was deine Stärke ist, ist das kein Problem. Mach dich auf die Suche danach und überlege dir, wie dir deine Stärke im Purseralltag hilfreich ist.
Wenn jeder seine Stärken gezielt einsetzen kann, ist man motiviert und motivierte Teams sind starke Teams, mit denen man jede Situation meistern kann.
Ich persönlich bin gut darin, die Stärken anderer zu erkennen. Wenn ich die Person darauf anspreche, wird oft abgewunken und gesagt, das sei doch nichts Besonderes. Doch das ist es sehr wohl. Oft erkennen wir nicht selbst, dass die Dinge, die uns leicht fallen, unsere Stärken sind. Als Führungskraft habe ich erkannt, dass, wenn jeder stärkenbasiert arbeiten kann - also Aufgaben übernimmt, die ihm leicht fallen - das Team automatisch mehr Kapazitäten für die Herausforderungen des Arbeitsalltags hat.
Welche Stärke du mitbringst, ist individuell ganz unterschiedlich. Garantiert ist jedoch, dass auch du etwas ganz besonders gut kannst!
Die Kunst der Selbstakzeptanz: Schwächen umarmen und im Einstellungstest durch Kompensationsstrategien überzeugen
In Bezug auf die eigenen Schwächen, ist es beim Einstellungstest wichtig zu vermitteln, dass man sich dessen bewusst ist und Konzepte entwickeln kann, die einem dabei helfen, das zu kompensieren. In meinem Fall ist es so, dass es mir schwerfällt, mir genaue Zahlen und Uhrzeiten im Gedächtnis zu behalten. Daher habe ich eine Liste erstellt, auf der ich alle flugrelevanten Details notiere. Diese Liste hängt für mich sichtbar in der Galley.
So kann ich jederzeit darauf schauen und habe alle Infos auf einen Blick parat. Es ist interessant, dass ich fast bei jedem Flug lobende Worte dafür erhalte, wie strukturiert und organisiert ich
bin. Die Liste beeindruckt und gibt mir Sicherheit. Tatsächlich ist diese hilfreiche Maßnahme aus einer meiner Schwächen entstanden.
Wenn es also gelingt, dem Gegenüber zu zeigen, dass man seine Schwäche akzeptiert und dennoch etwas Positives daraus macht, hat man sein Ziel erreicht.
Der IQ-Test
Mittlerweile Standard in vielen Assessment-Centern kommen Intelligenztests zum Einsatz. Meist eine Mischung aus Sprachbegabung, Mathematik, sowie logischen und räumlichen Denken. Ich habe mir den Testknacker von Hesse und Schrader besorgt und damit geübt. Auch würde ich ganz klar sagen, dass mir das Üben am Einstellungstag definitiv geholfen hat. Du findest auch im Internet viele kostenlose Tests, mit denen du üben kannst.
Wie möchte ich Führen?
Der Schritt vom Mitarbeiter zur Führungskraft bedeutet Veränderung. Bekommst du diese Veränderung hin? - Kannst du Konflikte lösen? Schaffst du es zu delegieren und Grenzen zu setzen? Garantiert findest du zu diesen Herausforderungen dein eigenes Konzept, welches für dich stimmig ist. Wichtig ist, dass du einen Plan hast, welcher sowohl deine Stärken, als auch deine Schwächen berücksichtigt und mit dem du effektiv arbeiten kannst.
Als Flugbegleiter:innen liegt uns Harmonie oft sehr am Herzen. Wir sind meist gutmütig und gehen Konflikten eher aus dem Weg, als diese offen auszutragen. Ich – der geborenen People Pleaser – der naturgemäß danach strebt, es allen recht zu machen, musste lernen, dieses unbedingte Harmoniebedürfnis als Führungskraft abzulegen. Ich provoziere den Konflikt auch heute nicht, aber wenn sie auftreten, gehe ich ihnen konstruktiv entgegen. Das bedeutet, dass ich manchmal Entscheidungen treffen muss, die nicht jedem im Team gefallen. Doch wichtig ist, dass Dinge offen angesprochen werden und eine Entscheidung getroffen wird.
20 Reflexionsfragen, die dir helfen können, deine Rolle als Purser:ette zu definieren:
- Warum möchte ich Purser werden? - Du brauchst ein überzeugendes WARUM. Das ist auch automatisch deine Motivation.
- Wie motiviere ich mich selbst und andere?
- Was sind meine persönlichen Stärken und wie kann ich sie optimal einsetzen?
- Was sind meine Schwächen und wie gehe ich mit diesen um?
- Wie gehe ich mit Konflikten innerhalb des Teams um und welche Strategien habe ich entwickelt, um sie konstruktiv zu lösen?
- Wie möchte ich als Purser von meinem Team wahrgenommen werden und welche Maßnahmen ergreife ich, um dieses Bild zu pflegen?
- Welche Werte und Prinzipien sind mir wichtig und wie lebe ich sie in meiner täglichen Arbeit?
- Welche Herausforderungen erwarten mich in meiner neuen Rolle und wie kann ich ihnen erfolgreich begegnen?
- Habe ich schon mal einem Purser negatives Feedback gegeben?
- Wie gehe ich selbst mit Feedback um? Wie integriere ich Feedback und Erfahrungen aus früheren Flügen, um meine Fähigkeiten und Leistung zu verbessern?
- Was ist für mich ein sehr guter, bzw. ein schlechter Purser?
- Wie führe ich mich und andere? Wie würde ich meinen Führungsstil beschreiben?
- Wie kann ich einen reibungslosen Ablauf des Flugbetriebs sicherzustellen?
- Welchen Beitrag möchte ich langfristig als Purser zur Weiterentwicklung meines Teams und zur Erfüllung der Unternehmensziele leisten?
- Wie trage ich dazu bei, das Image und den Ruf der Fluggesellschaft, für die ich arbeite, positiv zu beeinflussen?
- Wie sieht ein Briefing bei mir aus? Welche Schwerpunkte werde ich setzen?
- Wie reflektiere ich meine Leistung als Purser und wie arbeite kontinuierlich an meiner persönlichen Entwicklung?
- Wie setze ich wirtschaftliches Handeln und Nachhaltigkeit um?
- Was hat die Crew/Airline/der Gast von mir als Purser?
- Wie vereinbare ich bei all dem die Interessen von Crew – Kunde – Airline?
Finde deine Antworten auf diese Fragen und verinnerliche es.
Definiere deine Kernbotschaften und nimm eine innere Haltung ein, aus der du am Einstellungstag all das aus einer Überzeugung heraus kommunizieren kannst.
Überzeuge zunächst dich selbst; dann wird es dir auch gelingen, andere davon zu überzeugen.
4. Die Eignungsuntersuchung (EU)
Disclaimer: Ich kann nur von meinen eigenen Erfahrungen berichten. Ich bin keine Psychologin, die diese Einstellungstests
durchführt, und ich weiß auch nicht im Detail, worauf geachtet wird oder welche Kriterien letztendlich darüber entscheiden, ob die Eignungsuntersuchung positiv ausfällt.
Meine Eignungsuntersuchung bestand aus folgenden Teilen:
- Gespräch mit einem Psychologen
- Selbst-Präsentation
- Rollenspiel: Kritisches Mitarbeitergespräch
- IQ-Test
- Persönlichkeitstest
Das Gespräch mit dem Psychologen
Bereite dich vor! Nimm dir ein paar Tage vorher Zeit und ließ nochmal die neusten Veröffentlichungen des Managements, schau dir an, welche Konzepte aktuell erarbeitet wurden und stell dir die Frage, wie du als Führungskraft deinen Arbeitsalltag damit in Einklang bringen kannst.
Steht beispielsweise die Erneuerung der Flotte bevor? - Dann denke darüber nach, wie du deine Mitarbeitenden bei der Umstellung unterstützen kannst.
Werden gerade viele neue Kollegen eingestellt oder soll die Kundenzufriedenheit gesteigert werden? - Wie könntest du als Purser das Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen?
Greife aktuelle Themen und Konzepte auf, merke dir ein paar Stichworte und lasse sie gezielt im Gespräch einfließen.
Zur Vorbereitung kannst du viele verschiedene kostenlose Angebote nutzen. Ich habe mir beispielsweise gerne den Female Leadership Podcast von Vera Strauch angehört. (→ zu Spotify)
TIPP:
Auch Kolleginnen und Kollegen, die bereits an der Eignungsuntersuchung teilgenommen haben, sind wertvolle Ressourcen für den Austausch. Lass dich gerne davon inspirieren, aber betrachte dich wie
einen Schwamm: Sauge alle Informationen auf und wringe ihn dann einmal kräftig aus, sodass nur die Informationen übrig bleiben, die wirklich zu dir passen und für dich relevant sind. Bleib
unbedingt bei dir und übernimm nur Aussagen, Einstellungen und Prinzipien von anderen, die wirklich zu dir und deiner Persönlichkeit passen.
Der Psychologe wird diese kleinen Unstimmigkeiten sowieso herausfinden – das ist schließlich sein Job. Er wird merken, ob du geeignet bist oder nicht. Man möchte dich als authentische und
ehrliche Person kennenlernen.
Führungsprinzipien der Airline
Mach dich unbedingt auch mit den Führungsprinzipien des Unternehmens vertraut und überlege, wie du diese im Fliegeralltag als Purser umsetzen kannst. Denke über konkrete zukünftige Situationen oder vergangene Anekdoten nach, die diese Prinzipien veranschaulichen und verdeutlichen.
Wichtig:
Teile dies mit dem Psychologen. Ich vermute, dass der Psychologe eine Art Checkliste hat, auf der alle erforderlichen Einstellungsfaktoren abgehakt werden müssen. Er prüft also, ob du Punkt X verstanden hast. Komm ihm zuvor und präsentiere das Führungsprinzip in einem „Trojanischen Pferd“, indem du es in eine passende Geschichte verpackst.
Sei ehrlich – aber nicht zu ehrlich. ~ Gabriele Trachsel
Im Podcast von Gabriele Trachsel geht es um das Thema: Assessment-Center für Führungskräfte. Mir hat der Podcast die Angst genommen und mir viele hilfreiche Denkanstöße gegeben. Vielleicht möchtest du auch mal hineinhören und dir von der Recruiting-Expertin ein paar Tipps abholen. (→ zu Spotify)
Erzähle nur das, was du erzählen möchtest.
Bevor du antwortest, denke kurz nach, ob du damit eine richtige Botschaft sendest.
Im besagten Vorbereitungsseminar simulierten wir eine Interview-Situation. Eine Kollegin erklärte auf die Frage, wie gut sie Arbeit abgeben könne (delegieren kann), dass sie zu Hause immer die Spülmaschine neu einsortiere, da ihr Freund dies immer falsch mache. Außerdem betonte sie, dass sie es an Bord nicht mag, wenn noch leere Gläser am Gast stehen. Der Psychologe zog das Fazit: "Also sind Sie ein Korinthenkacker." Die Provokation war für alle spürbar, und die betroffene Kollegin reagierte automatisch in der Verteidigung: "Als Korinthenkacker würde ich mich jetzt nicht bezeichnen." Genau dort hatte er sie erwischt. Dies ist natürlich ein extremes Beispiel, aber so etwas kann vorkommen. Anstatt in die Verteidigung zu gehen, wäre es besser gewesen, dazu zu stehen und zuzugeben, dass dies in seinen Augen wohl so richtig ist. Ordnung ist mir eben wichtig. Und das Thema wäre erledigt gewesen. Du hättest bewiesen, dass du souverän mit Stress umgehen kannst, die Meinung anderer als ihre Wahrheit akzeptierst, deinen Wert jedoch nicht davon schmälern lässt und authentisch zu dir und deinen Prinzipien stehst.
Um erst gar nicht in eine solche Situation zu geraden, ist es klug, sich vorab ausreichend Gedanken zu machen und nur das zu erzählen, was man guten Gewissens erzählen möchte.
Vertraue darauf, im richtigen Moment, die richtigen Worte, zu den richtigen Menschen zu sagen. ~ Tobi Beck
Du kannst unmöglich auf alles vorbereitet sein. Tage vor der Eignungsuntersuchung spielt der Kopf gerne alle Szenarien in Endlosschleife durch, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass man am Ende
einfach nicht weiß, wie es dann tatsächlich wird.
Mein Hinweis an dich wäre, deine Botschaften ganz klar zu definieren. Warum bist du heute hier? Sei dir deiner Überzeugungen sicher und trage sie nach außen.
Das kritische Mitarbeitergespräch
Das Allerwichtigste ist, sich zu überlegen:
- Was möchte ich im Gespräch erreichen?
- Wie werde ich ins Gespräch einsteigen?
- Was möchte ich herausfinden? Und welche Fragen werde ich stellen?
In den Fallbeispielen werden häufig mehrere ungewünschte Verhaltensweisen beschrieben. Wähle etwas aus anzusprechen, dass dich wirklich stört und konzentriere dich primär darauf. Vor allem in der gespielten Situation im Assessment-Center liegt meistens ein anderer Grund für das Fehlverhalten des Kollegen vor. Das gilt es herauszufinden. Als Führungskraft fragst du. Merke: Wer fragt, der führt.
Sobald du den Raum betrittst, übernimmst du direkt die Führung und sagst deinem Gegenüber, dass du ihn/sie sprechen möchtest, und bietest ihm/ihr einen Sitzplatz an. Im folgenden Gespräch sollte der Mitarbeitende Raum für Erklärung und Reflexion finden und im besten Fall selbst eine Lösung erarbeiten. Als Führungskraft entscheidest jedoch du am Ende, ob diese Lösung auch mit deinen Prinzipien übereinstimmt.
Eine Herausforderung für mich war, dass ich gerne Weichmacher verwendete, wie „könnte, hätte, sollte...“. Das habe ich mir nach dem desaströsen Feedback meines ersten kritischen
Mitarbeitergesprächs während einer Schulung komplett abgewöhnt.
Durch die Negativerfahrung hatte ich verständlicherweise Respekt davor. Und so habe ich mir einen Satz parat gelegt, der zu mir passt und mit dem mir der richtige Einstieg in das kritische
Mitarbeitergespräch gelingt:
„Es ist mir wichtig, dass wir eng und vertrauensvoll miteinander zusammenarbeiten. Das heißt auch, dass wir beide Dinge ansprechen, die in unserer Zusammenarbeit nicht funktionieren, und gemeinsam eine Lösung dafür finden.“
- Dieser Satz muss nicht auf dich passen. Überlege dir jedoch, wie du das Gespräch beginnst und wie du direkt den Rahmen absteckst.
Ich habe auch vorab mit einer Freundin kritische Mitarbeitergespräche geübt, die sich zur gleichen Zeit auf die Eignungsuntersuchung zur Langstreckenpurserette vorbereitet hatte. Ihr Ansatz war
ganz anders. Sie war um einiges strenger und hat die Situation ganz anders gelöst als ich. Dennoch kamen wir beide problemlos ans Ziel und haben die Eignungsuntersuchung bestanden.
Am Ende ist es wichtig, dass du es so machst, wie du es tatsächlich auch an Bord machen würdest. Es muss am Ende gelingen, Grenzen und Konsequenzen aufzuzeigen. Diese Gespräche zu führen und die
Strategie zu beherrschen, ist erlernbar. Das zu lernen lohnt sich immer, beruflich wie privat. Und genau diese Fähigkeiten wirst du irgendwann auch tatsächlich an Bord brauchen.
Lese-Tipp:
5. Der Purser Lehrgang
Nachdem die Eignungsuntersuchung positiv verlaufen war, ist die Bewerbung erfolgreich abgeschlossen und man wird in eine Purser-Ausbildung eingeteilt.
Vorab möchte ich auf jeden Fall sagen: Obwohl man unter ständiger Beobachtung steht und einen Test schreiben muss, ist die Ausbildung absolut machbar!
Meine Ausbildung bestand aus folgenden Etappen:
- Einen umfangreichen Schulungsblock, in dem alle wesentlichen Inhalte vermittelt werden.
- Eine erste Flugphase, in der praktische Erfahrungen gesammelt werden können. Diese Flugphase umfasst drei Umläufe: Zwei Drei-Tagestouren auf Kurzstrecke und einen Langstreckenumlauf.
- Anschließend folgte eine weitere Schulungswoche.
- Zum Abschluss gab es einen »Check-out«-Flug, bei dem man bereits alle Aufgaben des Purses vollständig übernimmt.
Inhalte der Purser-Ausbildung
In den Schulungswochen taucht man tief in folgende Themen ein:
- Führungsgrundlagen
- Kundenorientierung
- Servicekoordination
- Führungsaufgaben
- Ansagentraining
- Beschwerdemanagement
- Aufgaben und Rollenverständnis bei medizinischen Notfällen
- SEP Notsituationen & Verantwortung des Pursers
- uvm.
Kollegen
Über meine Kurskollegen kann ich ausschließlich Positives berichten. Ich schätze jeden einzelnen von ihnen sehr. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und sind im Laufe der Zeit eng zusammengewachsen. Bis heute stehen wir in regelmäßigem Kontakt und tauschen uns über verschiedene Themen aus.
6. Einweisungsflüge
Jeder Einweisungsflug ist sehr individuell. Abhängig von Purser, der Crew, dem Cockpit und natürlich den Situationen, die an Bord passieren. Grundsätzlich soll man auf diesen Flügen die Rolle des Purseres einnehmen.
Wer sich dazu bereit fühlt, darf bereits das Briefing leiten. An Bord übernimmt man die Ansagen und kommuniziert mit dem Boden und dem Cockpit. Bei Fragen steht einem ein erfahrener Purser zur Seite, er unterstützt und hilft, wo nötig. Natürlich haben auch die anderen Kollegen Feedback und Tipps parat, die man aktiv einholen und dankend annehmen sollte.
Mir haben die Einweisungs-Flüge sehr geholfen, zu verstehen, wie die Prozesse ablaufen und was ich bei einem »langweiligen« Standard-Flug zu tun habe. Ich hatte großartige Kollegen, die mir alles gezeigt haben und mich haben machen lassen, sodass ich mich anfing, sicher in der Rolle zu fühlen. Als der letzte Flug dann vorbei war, konnte ich es nicht abwarten, endlich mein komplett eigenes Ding zu machen.
Am Ende des „Check-out Flugs“ erhielt ich von meiner Crew ein kleines Geschenk sowie meine Purser-Flugspange überreicht. In diesem Moment überwältigten mich Freude und Erleichterung, da sich die Anspannung der letzten Monate endlich löste und ich es endlich geschafft hatte.
7. Ernennungsfeier
Kitschig, aber wahr: Die Ernennungsfeier wird bis an mein Lebensende einer er schönsten Tage meines Lebens sein.
📸 Alle Bilder der Ernennungsfeier stammen von der talentierten Fotografin Tanja Dutton. - Hier ist der Link zu ihrem Instagram-Profil.
8. Die erste Tour als Purser
Das Briefing
Zusammenarbeit mit den Cockpitkollegen
Zum Kapitän hatte ich vorab bereits Kontakt aufgenommen und ihn darüber informiert, dass das mein erster Umlauf sein wird. Er sicherte mir seine vollste Unterstützung zu, die ich auch bekam. Ich durfte alles fragen und er versicherte mir, dass er sich freut, mich dabei zu begleiten in die neue Rolle hineinzuwachsen. So eine Reaktion kann man sich nur wünschen.
Rollenwechsel und Mitarbeiterführung
Innerhalb der Crew übertrug sich meine anfängliche Unsicherheit, und ich war überrascht, wie schnell meine Führungskompetenzen gefordert wurden. Direkt auf dem ersten Flug ereignete sich eine Situation, die mich vor eine Herausforderung stellte: Eine Kollegin machte ohne Absprache die Landeansage. Ich hielt mich noch im Cockpit auf, als mir der Kapitän sagte, er schalte die Anschnallzeichen an. Wir sprachen noch wenige Sekunden weiter, und als ich das Cockpit verließ, um die Landeansage zu machen, stand die Kollegin bereits mit dem Telefon in der Hand da und sprach in den Hörer. Ich war total überrascht. Zum Glück hatte sie den falschen Knopf gedrückt, und die Ansage kam nicht in der Kabine an. So übernahm ich den Hörer und machte die Ansage, wie vorgesehen. Vielleicht wollte sie mir helfen, jedoch hinterließ es einen faden Beigeschmack.
Auf einem späteren Flug brachte dieselbe Kollegin sogar vor dem Service ein heißes Essen ins Cockpit. Das konnte ich so nicht akzeptieren und war gezwungen, klarzustellen, dass ich das nicht gutheiße und auch auf zukünftigen Flügen nicht mehr sehen möchte.
Das Anzusprechen verlangte mir Mut und Überwindung ab, aber ich bin heute stolz darauf, dass ich das erlernte bereits auf meinem allerersten Flug umsetzen konnte.
Die erste Tour ging über fünf Tage und mit jedem Tag fühlte ich mich sicherer. Ich spürte auch an den Kollegen und den Gästen, dass ich schon ganz viel richtig machte. Am fünften Tag stieg ich dann ziemlich platt, aber auch überglücklich aus dem Flugzeug.
Ich hatte es geschafft, mit einem Flugzeug 12 Flüge durchzuführen, wobei bei jedem Flug 200 Gäste und 4 Crewmitglieder an Bord waren – und das alles pünktlich, einmal quer durch Europa.
9. Routine in der neuen Funktion
Das Fliegen als Purser macht mir sehr großen Spaß. Ich liebe es, meinen eigenen Bereich zu haben. Besonders am Morgen genieße ich es, ganz allein in der Business-Class zu arbeiten. Ich richte meinen Arbeitsplatz nach meinen Vorstellungen ein und während der Duft von frischem Kaffee die Galley erfüllt und die ersten Sonnenstrahlen sich über den rosafarbenen Morgenhimmel erheben, fühle ich eine tiefe innere Ruhe und Zufriedenheit.
Ich liebe es, ein Arbeitsumfeld zu kreieren, indem wir alle gut arbeiten können. Ich schaffe es ein starkes Team zu führen, wobei jeder seine Potenziale entfalten kann!
Eine dienstjunge Kollegin saß einmal neben mir, ich frage gerne Kollegen, ob sie Ansagen übernehmen möchten. Sie war sich erst unsicher und ich sagte ihr dann, sie kann es sich ja überlegen und wenn sie Lust hat, darf sie die gerne eine Ansage machen. Auf dem nächsten Flug kam sie zu mir und meinte, sie ist bereit die Ansage zu machen. Und das tat sie. War sie perfekt? - Nein. Habe ich sie dennoch mit Lob überschüttet und ihr ein richtig gutes Gefühl gegeben? - JA! Sie gewann so schnell an Selbstvertrauen und merkte selbst, an welchen Punkten sie noch arbeiten kann. Dann kam sie sogar auf mich zu und meinte, die hätte nachgelesen und auf dem nächsten Flug wäre noch eine weitere Ansage zu machen und ob sie diese übernehmen dürfe. Großartig! So geht Führung auch: Unterstützen und Raum zum Handeln geben.
Ich hatte in den ersten sechs Monaten viele wundervolle Kollegen, die motiviert mitanpackten und die Flüge innerhalb der Crew und für die Gäste besonders machten!
Beim Verlassen des Flugzeugs erhielt ich ein überwältigendes Maß an positivem Feedback von unseren Passagieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass die herzliche Atmosphäre, die wir geschaffen haben, bis in die letzte Reihe spürbar war.
Ein positives Flug-Erlebnis steht und fällt mit der Crew. Für mich ist jeder einzelne dafür verantwortlich, dass wir uns ein Arbeitsumfeld schaffen, indem wir uns wohlfühlen und gerne arbeiten. Sobald die Türen geschlossen sind, ist das unser Flugzeug und obwohl wir uns natürlich an viele Arbeitsabläufe und Sicherheitsvorschriften halten müssen, haben wir die Stimmung an Bord maßgeblich selbst in der Hand.
10. Herausforderung & Fazit
Für mich war das Purser-werden der einzig logische Schritt. In der Rolle fühle ich mich vollkommen in meinem Element und genieße jede Minute. Ich weiß, dass ich in dem kleinen Rahmen einen Unterschied machen kann und nutze diese Chance im Interesse aller. Organisieren liegt mir im Blut, und meine Kreativität kennt keine Grenzen – so finde ich für nahezu jedes Problem eine Lösung.
Mein ganzes Fliegerwissen und meine Liebe zur Welt kann ich nochmal ganz anders hinaus in die Welt tragen und andere damit positiv inspirieren.
Der Job als Purser ist ideal für alle, die den Balanceakt zwischen Crew – Kunden und Airline gut hinbekommt.
Das Ganze ist kein Hexenwerk. Wenn du diesen Artikel liest, dann schlummerst ganz offensichtlich auch in dir der Wunsch dich weiterzuentwickeln und Purser zu werden. Bewirb dich! Probier es aus. Andernfalls könntest du eines Tages bereuen, es nicht wenigstens versucht zu haben.
Wir brauchen engagierte und liebenswerte Purser, die sich gut auskennen, den Job leben und die Position mit Menschlichkeit ausfüllen. Damit Passagiere endlich wieder zu Fans werden!
Lass mich unbedingt wissen, wie du den Einstellungsprozess erlebt hast und hinterlasse mir gerne einen Kommentar, wenn du noch etwas ergänzen möchtest!
Vor allem interessiert mich natürlich, ob dir mein Artikel in irgendeiner Weise geholfen hat und du mittlerweile selbst Purser geworden bist! Ich freue mich sehr über den Austausch und dein Feedback.
🪄Zauberhafte Grüße Linda
von ✨ Irgendwo mit Kind
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