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Mama fliegt - wie familienfreundlich ist der Job als Flugbegleiter?


Fliegenund Kind? Wie kinderfreundlich ist der Job als Flugbegleiter?

Wie gut lässt sich das Fliegen mit dem Familienleben vereinbaren?

Das ist eine der meistgestellten Fragen an mich.

In vielen Köpfen hat sich die Meinung manifestiert, Flugbegleiter:innen wären immer weg und nie zu Hause. Scheinbar können sich viele nicht vorstellen, wie man beides miteinander vereinen kann.

 

Allerdings geht das sogar sehr gut!

  • Schließlich sind Flugbegleiter auch ausgezeichnete Improvisationskünstler und Weltmeister im Krisenmanagement.

 

Aber um all die Fragezeichen zu eliminieren und alles genau zu beantworten, muss man vorab ein wenig erklären, wie der Alltag eines Flugbegleiters überhaupt ist.

Im Beitrag klären wir also auch Mythen und unschöne Wahrheiten rund um den Beruf des Flugbegleiters.

 

1. Alltag eines Flugbegleiters

2. Teilzeit-Modelle

3. Arbeitszeit und Ruhezeit

4. Organisation

5. Betreuung

6. Herausforderungen

7. Fazit

 

Fliegen und Kind? Flugbegleiterin mit Familie
♡ Im Beitrag kann ich nur für mich und die Fluggesellschaft sprechen, für die ich arbeite.

1. Alltag eines Flugbegleiters

Wie oft ich im Einsatz bin, ist jeden Monat verschieden und hängt in erster Linie davon ab, welche Flüge ich im Plan habe.

 

Ungefähr bin ich jedoch etwa ein Mal pro Woche, für zwei bis drei Tage, unterwegs. In dieser Zeit bin ich grundsätzlich auch über Nacht im Hotel und somit nicht zu Hause.

 

Der Dienstbeginn und das Dienstende variieren, jedoch kann ich durch ein System Einfluss auf meine Dienstzeiten nehmen. Nacht- und Schichtarbeit sind normal. Auch sehr lange Arbeitstage von 12 Stunden sind keine Seltenheit.

Zu Hause kann ich die anstehenden Aufgaben flexibel erledigen. Beispielsweise muss ich vor jedem Einsatz eine Flugvorbereitung machen. Das kann ich dann erledigen, wenn es für mich am besten passt. 

 

Ein Crew-Briefing findet auf der Ausgangs-Basis vor jedem Flugeinsatz statt und gilt als Dienstbeginn.

 

Es gibt eine gewisse Anzahl an Bereitschaft–Tagen, die jeder Flugbegleiter ableisten muss. An diesen Tagen bin ich auf Abruf und weiß vorab nicht genau, wohin und für wie lange ich weg bin.

 

Bodentage:

Es gibt vier bis fünf verpflichtende Boden-Ereignisse im Jahr. Dort begibt man sich zum Schulungszentrum, um beispielsweise vorhandene Kenntnisse aufzufrischen oder notwendige Lizenzen zu erneuern.

 

 

2. Familienfreundliche Teilzeit-Modelle

Nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit besteht die Möglichkeit, in ein Teilzeit-Modell zu wechseln.

Das ist gesetzlich festgelegt und der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, ein Teilzeit-Modell anzubieten. In meiner Firma habe ich großes Glück, denn es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Arbeitszeit dem privaten Leben anzupassen.

 

Nach der Geburt meiner Tochter habe ich meine Vollzeitstelle gegen eine Teilzeitstelle getauscht.

Anfangs flog ich etwa 50 % eines Vollzeit-Mitarbeiters und heute sind es etwa 70 %.

 

 

Guten Flug, Mama. Gepackter Koffer.
Guten Flug, Mama.

3. Arbeitszeit und Ruhezeit eines Flugbegleiters

Flugbegleiter müssen jeden Monat eine feste Anzahl an Flugstunden erbringen. In Vollzeit sind das etwa 80 Flugstunden im Monat.

prozentual weniger, wenn man sich in einem Teilzeitmodell befindet.

 

Man kann die vorgegebenen Flugstunden nicht mit Arbeitszeit gleichsetzen und auch nicht mit einer „normalen″ 40-Stunden-Woche vergleichen.

Die Einsätze sind mit Flugstunden versehen. Als Flugstunden gilt die Zeit vom Losrollen des Flugzeugs bis zum Erreichen der Parkposition am Zielort. Außerdem gibt es eine Vor- und Nachbereitungszeit, die sich positiv auf die Flugstunden auswirkt.

 

Beispiel:

  • Eine 4-tägige Europatour mit 24 Flugstunden:

Die tatsächliche Arbeitszeit, die man in Uniform verbringt, ist in diesen Tagen natürlich viel länger: Ein- und Aussteigen, sowie Transit-Zeiten zählen nicht zur Flugzeit.

 

Im Beispiel habe ich eine Tour ausgesucht, die so oder so ähnlich auch in der Realität geflogen wird.

 

1. TAG:

MUC-BER  1:00h

BER-MUC 1:00h

MUC-MAD 2:45h

 

2. TAG:

MAD-MUC 2:40h

MUC-HAM 1:10h

HAM-MUC 1:10h

MUC-BRE 1:00h

 

3. TAG:

BRE-MUC 1:00h

MUC-BCN 2:00h

 

4. TAG:

BCN-MUC 2:00h

MUC-LHR 1:50h

LHR-MUC 1:50h

 

5. + 6. TAG:

Ruhezeit/ Frei

 


Ein Vollzeit-Flugbegleiter hat im Monat etwa vier bis fünf solcher Einsätze zu je drei bis fünf Tagen.

 

Die Flugeinsätze variieren von einem bis zu sieben Tagen und beginnen, vor allem auf der Langstrecke, nicht selten spät abends und enden sehr früh morgens.

Dadurch bin ich zu Hause präsent, obwohl ich an dem Tag arbeite, bzw. gearbeitet habe. Durch die Schicht- und Nachtarbeit benötige ich jedoch auch mehr Erholungsphasen.

  • Jeder Flugeinsatz löst deshalb eine gewisse Ruhezeit aus.

Das können einige Stunden oder sogar mehrere Tage sein. In dieser Zeit habe ich grundsätzlich komplett frei und darf nicht zu einem Flug gerufen werden.

 

 


Born to Fly. Gepäckanhänger in Flugzeugkabine.
Mich gibt's im Shop! 1€ davon geht an hilfsbedürftige Kinder. 🤍

4. Die Organisation

Ganz klar ist die Planung und Organisation eine große Herausforderung, da man für sich und für das Kind/die Kinder alle Tage der Abwesenheit genau planen muss. Schließlich muss alles eingepackt oder zumindest bereitgestellt werden, was das Kind währenddessen braucht.

 

Planungsstabilität

Unsere Dienstpläne werden immer Ende des Vormonats für den kommenden Monat veröffentlicht. Durch ein kluges System haben wir oftmals genauen Einfluss darauf, wann und wohin wir fliegen.

Das System meldet uns im laufenden Monat auch zurück, ob wir uns über den gewünschten Flug freuen dürfen, oder nicht?

 

Wir haben vier feste, zusammenhängende FREI-Tage. Diese vier Tage können wir uns individuell nehmen und werden, nach Möglichkeit, auch gewährt.

 

Es darf nicht wahllos in den Dienstplan eingegriffen werden und telefonisch erreichbar muss man nur dann sein, wenn dies im Dienstplan vermerkt ist.

 

Der Dienstplan ist somit kein fragiles Konstrukt, sondern eine meist verlässliche Basis, auf der sich der Alltag planen lässt!

5. Kinderbetreuung

Ich möchte nicht lügen: Die Kinderbetreuung ist teilweise ein schwieriges Thema.

  • Vor allem, wenn man keine Großeltern oder einen flexiblen Partner an der Seite hat.

Tagsüber sind die Kinder gut im Kindergarten oder der Kita versorgt, aber wer kümmert sich am späten Nachmittag, am Abend und in der Nacht? Im Idealfall ist der zweite Elternteil da und übernimmt die Betreuung. Die Scheidungsrate bei Flugbegleitern ist unangefochten an der Spitze der Scheidungsstatistik und dadurch potenziert sich das Betreuungsproblem. Auch ich trug meinen Teil zur Statistik bei und kenne den Betreuungsengpass nur allzu gut.

 

Alleinerziehende Flugbegleiter:innen:

Man braucht auf jeden Fall ein gutes soziales Netzwerk, da man sehr unterschiedliche Arbeitszeiten hat und oft über Nacht weg ist.

Selbst, wenn eine geeignete Betreuungsmöglichkeit gefunden ist, heißt es noch lange nicht, dass das Kind/die Kinder das auch genauso toll finden, dort mehrere Tage im Monat zu bleiben.

 

Jahrelang flog ich immer von sonntags bis dienstags. Das waren die „Papa-Tage“. Auf dem Weg zum Flughafen brachte ich meine Tochter dort vorbei, dadurch bekam sie meine Abwesenheit kaum mit. Irgendwie haben wir das jahrelang geschafft, für mich war es jedoch sehr anstrengend und ich habe mir oft gewünscht, diesen Zustand irgendwie ändern zu können.

 

 

Nest-Modell / Au Pair

Das Nest-Modell ist eine tolle Möglichkeit, um das Kind nicht so oft aus der gewohnten Umgebung herausreißen zu müssen. Das Kind wohnt an einem einzigen Ort und die Person, die das Kind betreut, zieht derweil ein. Dies kann mit dem Ex-Partner, der Großeltern, dem Babysitter, oder in letzter Instanz mit dem Au Pair geschehen. In der Zeit übernimmt die Person den Haushalt und die Alltagsstruktur. Für das Kind finde ich, das eine großartige Möglichkeit in der gewohnten Umgebung bleiben zu dürfen.

 

 

Tagesmutter / Zweck-WG

Außerdem kenne ich viele Kolleg:innen, die die Abwesenheitszeiten durch eine Tagesmutter abdecken, bei der die Kinder auch übernachten können. Oder es schließen sich zwei Kolleg:innen zusammen und übernehmen, immer im Wechsel und nach Abstimmung des Dienstplans, die Kinderbetreuung.

 

 

 

Kind wartet am Flughafen auf die Mama
Mein Kind hat es immer gut weggesteckt und es gab nur selten Trennungsschmerz, sie kannte es einfach nicht anders.

6. Herausforderungen

Nicht alle Kinder können sich gut trennen.

Aber manche Kinder weinen bei jedem Abschied und vermissen die Mama ganz schrecklich. Manche Mütter wollen das Kind/die Kinder nicht alleine lassen und mehrere Tage von zu Hause wegbleiben. Allerdings bietet der Job auch die Möglichkeit, die richtige Balance zu finden, mit der alle glücklich sind.

 

Der Beruf Flugbegleiter ist durch Nacht- und Schichtarbeit körperlich anstrengender und erfordert eine längere Ruhezeit als andere Jobs „auf dem Boden“. Mich im Anschluss von einer durchgeflogenen Nacht komplett zu erholen, war für mich oftmals unmöglich.

 

 

Konkret, das brauche ich, um den Job als Flugbegleiter und mein Familienleben gut kombinieren zu können:

  • Teilzeit
  • kurzer Arbeitsweg
  • gutes, soziales Netz, welches die Kinderbetreuung übernehmen kann
  • berechenbarer und verlässlicher Einsatzplan

 

 

Familie vorhanden und dennoch träumst du von der großen weiten Welt und möchtest Flugbegleiter werden? - Bitte beachte:

  • Wer schon Kinder hat und den Job eines Flugbegleiters beginnt, muss in der Regel mindestens sechs Monate Vollzeit arbeiten, ehe man eine Teilzeitstelle beantragen kann.
  • In der Probezeit hat man außerdem kaum Einfluss auf den Dienstplan. Erst danach kann man über ein System Flüge wünschen und Einfluss auf die Arbeitszeiten nehmen.
  • Es ist auch kein großes Geheimnis, dass der Verdienst, vor allem am Anfang, eher mager ist und damit eine Familie ernähren zu können, schwierig werden kann.
  • Um langfristig in der Fliegerei Fuß zu fassen, muss man außerdem oftmals gewisse Zusatzqualifikationen absolvieren.

 

Die Vorteile:

  • Die Arbeit bleibt an Bord und wir nehmen (nur sehr selten) etwas mit nach Hause.
  • Wenn ich nicht arbeite, bin ich zu Hause und kann so 100 % für mein Kind und meine Familie da sein.
  • Unterm Strich bin ich sogar mehr zu Hause als bei einem anderen Job.
  • Fliegen ist schön. Man lernt interessante Leute kennen und kann die Welt bereisen.

 

Flugbegleiterin Lufthansa mit familie
Flugbegleiter zu sein, ist immer noch mein Traumjob. Denn ich darf etwas tun, das ich liebe.

Manche Vorurteile stimmen. Flugbegleiter sind zwar oft von zu Hause weg.

  • Aber wenn wir freihaben, haben wir frei!

Und auch, wenn es nicht immer einfach war, bzw. ist, ist für mich der Beruf eine Bereicherung.

 

Ich hoffe, du kannst nun alle internen Prozesse etwas besser verstehen.

Wenn es noch Fragen gibt, kommentiere gern den Beitrag, oder schreib mir HIER eine Nachricht.

 

🪄Zauberhafte Grüße Linda

von ✨ Irgendwo mit Kind

 


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Kommentare: 3
  • #1

    Viktor (Freitag, 22 September 2023 09:37)

    Vielen Dank für deinen Beitrag. Wirklich, sehr interessant.
    Hast du als Flugbegleiterin die Möglichkeit, die Länder in denen du dich aufhältst zu besichtigen bzw. ist dafür ausreichend Zeit und vor allem Kraft vorhanden?
    Liebe Grüße
    Viktor

  • #2

    Klaus (Freitag, 12 Januar 2024 20:04)

    Das mit der Versorgung der Kinder scheint mir etwas sehr geschönt

  • #3

    Carmen (Freitag, 08 März 2024 09:44)

    Stimmt genau!
    Bin 30 Jahre als Flugbegleiter geflogen. Hatte allerdings einen Freiberufler als Mann.
    Gut erklärt